Fortgang

28.02.2023

Dass die Freie Szene unverzichtbar ist, kommentiert Kultursenator Dr. Carsten Brosda Anfang 2023 auf Twitter. Sie sei also so wichtig, dass ein Verzicht unmöglich ist. Um die Begriffskette weiter zu führen: Sie ist notwendig und unerlässlich! Diese Notwendigkeit treibt uns als Akteur*innen der Freien Szene immer wieder an, künstlerisch zu arbeiten. Wie können wir aber weiter arbeiten, wenn die derzeitige Lage kaum Perspektiven für die Kunst und die Künstler*innen bietet?

Für unsere dritte und letzte Festivalausgabe als Team haben wir das Thema »Fortgang« bestimmt. Fortgang heißt Weitermachen, trotz aller Widrigkeiten. Fortgang heißt zugleich Verlassen, Verabschieden, Zurücklassen. Angesichts der hautnah ablaufenden Krisen ging es uns in den Ausgaben HF#7 und HF#8 darum, die Stärken und die Vielfalt der Szene der freien Darstellenden Künste Hamburgs hervorzuheben. In den Corona-Jahren ist die Szene in Hamburg gewachsen, neue Kooperationen mit Institutionen wurden eingegangen. Künstler*innen haben sich professionalisiert und die Hamburger Szene und das Festival haben an Strahlkraft gewonnen. Es wurde klar, dass sich die Szene erweitern und diverser werden muss. Die Künstler*innen der Szene Hamburgs konfrontieren sich und das Publikum mit den Barrieren und Widersprüchen unserer Gesellschaft, um neue Zugänge und Sichtweisen zu ermöglichen.

Die neunte Ausgabe des Festivals fällt in eine Zeit, in der die Zukunft der Freien Szene in Hamburg auf dem Spiel steht. Die aktuell prekäre Fördersituation in Hamburg bedeutet für Hamburger Künstler*innen, die zum Teil überregional touren und bekannt sind, dass ihre Projekte nur in seltenen Fällen in Hamburg gefördert werden. Die Freie Szene Hamburgs ist dadurch von hoher Fluktuation betroffen, da viele Künstler*innen abwandern. Der Zugewinn an Professionalität kann in keiner Weise gehalten werden. Die Szene, von der es heißt, sie sei unverzichtbar, steht vor dem Fortgang.

Wir wollen beim Festival all die Missstände im Blick behalten und zugleich die Aufführungen feiern, die das kommende Festivalprogramm ausmachen: Ein lässig nahbarer Musiktheaterabend (DEIN OXY). Eine Forschungsreise zu Alltagsgegenständen (DIE VERSAMMLUNG DER DINGE). Eine vielfältige Wahrnehmungen eröffnende Tanzproduktion (PHRASES). Eine zu Tränen rührende Agit-Pop-Collage (NAH AM WASSER GEBAUT ON TOUR). Eine actionreiche Tanzperformance in einer laufenden Autowerkstatt auf St. Pauli (AUTO-FIKTION: DER STRUGGLE SO REAL). Eine philosophisch-politische Tanzinstallation in einer Luftkugel aus Ballonseide (VOID). Ein kurdischer Kreistanz auf Technobeats (RETOUR-KILAMS AN KOFFERKINDER). Eine vielsinnlich-poetische Zeitreise durch die kurdische Vergangenheit (QBX - SAD BIRDS PAVILION). Eine Welt voller fantastischer Wesen (SNITMØNSTER). Ein auf der Bühne humorvoll inszeniertes, rasantes und feministisches Computerspiel ((SAVE ME) NOT) sowie eine kriminalhafte Spurensuche in der Familienbiografie und eine musikalische Hommage an Freddie Mercury (INNUENDO).

Wir arbeiten weiter am Abbau von Barrieren, um den Fortgang für alle möglich zu machen: Durch Übersetzungen der Produktionen, Audiodeskriptionen,Tastführungen, Awareness Workshops, Begegnungsformate und einem Teilhabe-Team vor Ort. Das Festivalmodul »#Beyond Digital« wirft einen digitalkünstlerischen Blick auf das Festival ohne digitale Technologien in den Mittelpunkt zu stellen. In der diesjährigen Ausgabe entwickeln Hamburger und internationalen Medienkünstler*innen multimediale Interventionen und spekulative, digitale Erweiterungen zu den eingeladenen Festivalproduktionen. Das Team entwirft ernstgemeinte, humorvolle und vielleicht auch selbstkritische Antworten und Prototypen und kommentiert dabei das Festival in einem digitalen Tagebuch für die ganze Festival-Community.

Wir freuen uns auf zwei Festivalwochen, auf ein volles Programm, bei dem sich die Hamburger Freie Szene in ihrer Vielfalt zeigen und bei der wir zusammen mit euch die Kunst feiern.

Wir sehen uns beim Festival!